Er liess die Nähe zu, als er gar nicht mehr anders konnte und als er nicht mehr wusste, wer ich bin. Einerseits war das sehr irritierend für mich, denn das ist ja ziemlich seltsam: Solange der Vater gesund war, hielt er eher Distanz, und als er krank war, liess er uns, mich und das Pflegepersonal, an sich heran. Das war eine neue Erfahrung für mich, eine wertvolle, aber auch eine schmerzliche. Ich fühlte mich auch frustriert und traurig. Denn ich dachte, man hätte die Beziehung ja auch früher aufbauen können. Es war wichtig für mich, das in dem Moment zu erkennen und annehmen zu können. Das hat auch etwas mit Verzeihen zu tun.
Ich hatte ein paar ungelöste Themen mit meinem Vater, die ich selber von mir aus auch nie angesprochen hatte. Und als ich fand, jetzt haben wir eine gewisse Intimität und Nähe, jetzt würde ich gern mit ihm über sehr persönliche Themen reden, ging es nicht mehr. Das war ziemlich schwierig, damit hatte ich zu kämpfen. Ich habe mir selber Vorwürfe gemacht: Verdammt – solange wir beide auf Augenhöhe waren, habe ich die Auseinandersetzung nicht gesucht, um etwas zu klären. Das war dann später nicht mehr möglich, und ich musste es mit mir selber ausmachen. Dabei hat es mir geholfen, die Nähe zu ihm zu haben, auch wenn er nicht mehr wusste, wer ich bin.